14.11.2016 Offener Brief zum Baubeginn in der Fontanepromenade 15

Fontanepromenade 15 — Pietätlosigkeit gegenüber einem historischen Ort der Zwangsarbeit, Diffamierung und Unterdrückung

Am 30.10.16 mussten wir zu unserer größten Empörung feststellen, dass in dem flachen Altbaugebäude Fontanepromenade 15 mit privaten Baumaßnahmen begonnen wurde.

"Es ist ein Haus mit dunkler Geschichte. Von Dezember 1938 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich hier die "Zentrale Dienststelle für Juden" des Berliner Arbeitsamtes. Von hier aus wurden sie zur Zwangsarbeit befohlen.
Seit 2013 erinnert eine Gedenkstele vor dem Haus an seine Vergangenheit. Als sie aufgestellt wurde, beschrieb die Historikerin Dietlinde Peters die Dienststelle so: Sie sei "eine zivile Behörde mit Handlungsdiensten zur Selektion, Ausbeutung und Vernichtung" gewesen. Man habe sich mit der Gestapo darüber abgestimmt, wer wann deportiert wurde. Betroffene sprachen von der "Schikanepromenade". Stundenlanges Warten und Demütigungen waren Alltag. Schätzungen gehen in Berlin von rund 26 000 jüdischen Zwangsarbeitern aus."
(Berliner Zeitung 08.04.2015, Iris Brennberger)

1950 kaufte eine Mormonengemeinde das Haus und nutzte es bis 2010 für Gottesdienste. Sie zog sich 2011 zurück, seither steht das Gebäude leer. Im Frühjahr 2015 stand es für angeblich knapp 800.000 Euro zum Verkauf. Weder Land noch Bezirk erwogen einen Kauf um das Gebäude als öffentlichen Gedenkort zu erhalten.
"Es sei ein privater Verkauf, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg könne wenig tun, sagte Bezirkssprecher Sascha Langenbach. Man hoffe aber, dass das Haus seiner historischen Bedeutung entsprechend genutzt wird..."

Hoffnung und Realität: Am 26.08.2016 erteilte das Bezirksamt Friedr.-Kreuzberg die Baugenehmigung für den "Umbau der früheren Sakralräume in Wohn- und Büroräume" an die "Fontanepromenade 15 GbR" (Stephanie Kohm, Bremen). Da am 27.09.2016 noch alles im alten Zustand war — und auch noch die Gedenkstele von 2013 zugänglich, begannen die Arbeiten erst im Oktober.

Wir halten es für einen absoluten Skandal, dass ein solcher Geschichtsort der Immobilienspekulation geopfert wird und nicht als Gedenkort/ Museum zur jüdischen Zwangsarbeit und zum Holocaust öffentlich genutzt wird. (Wir gehen nicht davon aus, dass die private Investorin einen solchen Zweck verfolgt.)

Wir fordern den Bezirk deshalb auf die Baugenehmigung sofort zurückzunehmen und die Baumaßnahmen zu stoppen. Dieser Ort muss durch Kauf in öffentliche Hand oder gemeinnützige Hand kommen, damit er einen würdigen und geschichtsbewußten Umgang erfährt.

Stadtteilinitiative WEM GEHÖRT KREUZBERG    November 2016

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