schriftliche Fassung des Redebeitrages der Stadtteilinitiative WEM GEHÖRT KREUZBERG

 bei der Auftaktveranstaltung der vom Land Berlin beauftragten Firma S.T.E.R.N GmbH für das Sanierungsgebiet „Rathausblock“, in dem auch das sog. Dragoner Areal liegt, vom 18.07.2017

Wir, die Stadtteilinitiative WEM GEHÖRT KREUZBERG, sind in Kreuzberg 61, aber auch stadtweit seit Jahren aktiv gegen steigende Mieten, Verdrängung und Vertreibung von Mieter*innen.

Seit Jahren kämpfen wir auch dafür, dass das sog. Dragoner Areal dem Spekulationsmarkt entzogen wird und dass es eine gesellschaftliche Entwicklung für das Areal gibt, die von Nachbar*innen, jetzigen Nutzer*innen und stadtpolitischen Initiativen getragen wird. Dazu gehört auch, dass die Gewerbetreibende auf dem Areal dauerhaft abgesichert werden.

Wir begrüßen es, dass die Privatisierung des Areals nun endlich offenbar gestoppt ist und dass das Areal, wie vom Land Berlin formuliert, gemeinwohlorientiert entwickelt werden soll und dass eine Bürger*innenbeteiligung angestrebt wird.

Aber wir bleiben skeptisch: Wie soll dieser Beteiligungsprozess aussehen, soll es tatsächlich mehr sein als nur eine Alibi-Veranstaltung?

Wir sehen die Auseinandersetzung um das sog. Dragoner Areal im Kontext der Entwicklung unseres Stadtteils und unserer Stadt.

Jahrelang hat die Politik die Wohnungsfrage und den Wohnungsmarkt der kapitalistischen Verwertungsindustrie in die Hände gelegt — sowohl auf Bundes-, als auch auf Landes- und Bezirksebene.

Seit Jahren werden mietenpolitische Instrumente hochgehalten:
Mietpreisbremse, Mietspiegel, Umwandlungsverordnung, Zweckentfremdungsverbotsverordnung, Milieuschutzgebiet, Erhaltungssatzung, Sanierungsgebiet, Bürgerbeteiligung – und mit welchem Ergebnis?

Die Mieten steigen weiter, die Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen nehmen weiter zu, die Verdrängung und Verwertung auf dem Mietwohnungsmarkt setzen sich ungebremst fort, Luxusneubau an jeder Ecke! Allein 2017 fallen 55.000 Sozialbindungen weg.

Bezahlbarer Wohnraum für die, die ihn jetzt brauchen, Räume für sozio-kulturelle Initiativen und kieznahes Kleingewerbe – Wo denn?
Am Gleisdreieck, auf dem Postscheckamt, bei der Genossenschaft Möckernkiez, in der Wartenburgstraße, in der Bautzener Straße, beim Roten Riegel an der Monumentenbrücke, in der Stresemannstraße, in der Schwiebusser Straße, auf dem Bockbrauerei-Gelände?
Hierbei handelt es sich nur um einige Beispiele für Neubauprojekte in unserer Nähe. Die Liste ist lang, für Kreuzberg und für die ganze Stadt. Überall entsteht (fast) nur unbezahlbarer Wohnraum, vorwiegend Eigentum. Die Stadtteile werden aufgewertet, Mieter*innen und Kleingewerbe werden verdrängt.


Wir wollen, dass das, was auf dem sog. Dragoner Areal entstehen soll, von Nachbar*innen, von stadtpolitischen Initiativen und den jetzigen Nutzer*innen geplant und entwickelt wird.

Dafür braucht es ein Moratorium, einen Aufschub irgendwelcher Planungen von Oben!

Wir brauchen Zeit und Räume, wo wir zusammen kommen und gemeinsam diskutieren können. Wir unterstützen die Forderung nach einem Nachbarschafts- und Kulturzentrum, einem BUNTEN HAUS auf dem Areal, in dem dieser Prozess stattfinden kann. Ob und in welchem Umfang Wohnraum — und zwar 100% bezahlbarer Wohnraum! — auf dem Areal entstehen soll, sollen diese Mitwirkenden eines auf den Stadtteil bezogenen Planungsprozesses entscheiden.

Darüber hinaus fordern wir umgehend die Nutzung weiterer leerstehender Räumlichkeiten für sozio-kulturelle Initiativen und unkommerzielle Projekte.

Und zuletzt:
Das Land Berlin unterstützt — zumindest verbal — die Forderungen der Initiativen nach Räumen auf dem Areal. Aber wir bleiben skeptisch: Gerade einmal drei Wochen ist es her, dass der Kiezladen Friedel54 in Neukölln von der Polizei recht brutal geräumt wurde: ein aktiver Beitrag des Landes Berlin, des Innensenators, den Nachbar*innen und Initiativen im Kiez Räume zu entziehen, damit eine unbekannte Investorenfirma aus Luxemburg ihre Renditen einfahren kann.

Wir fordern daher auch eine sofortige Rückgabe des geräumten Kiezladens Friedelstr54 an ihre Nutzer*innen!